Therapie & Behandlung des Akustikus­neurinoms: aktive Überwachung

Die Methode der aktiven Überwachung beinhaltet, dass nach der Diagnose des Akustikus­neurinoms das Tumor­wachstum sowie der Status allfälliger Symptome regelmässig kontrolliert wird, ansonsten aber vorerst keine Behandlung stattfindet. Wächst der Tumor oder verschlechtern sich einzelne Symptome, kann in Rück­sprache mit den behandelnden Fach­personen eine Therapie mittels Bestrahlung oder einer Operation folgen.

Was bedeutet die aktive Überwachung?

Die häufigste Bezeichnung im Englischen ist «Wait and Scan» oder «Active Surveillance». Auf Deutsch wird am häufigsten «aktive Überwachung», teils auch «aktive Beobachtung» für diese Strategie verwendet.

Die Therapie­strategie der aktiven Überwachung beinhaltet regelmässige ärztliche Kontrollen mit Bildgebungen des Akustikus­neurinoms sowie audiometrische Unter­suchungen, also Hörunter­suchungen.

Darum gibt es diese Methode

Vestibularis­schwannome werden zunehmend per Zufall oder bei älteren Personen mit schwach ausgeprägten Beschwerden diagnostiziert. Dies liegt insbesondere am niederschwelligen Zugang zu Magnetresonanztomographien (MRT) in Industrieländern.

Aktuelle Daten zeigen, dass circa 25 Prozent der Vestibularis­schwannome zufällig diagnostiziert werden. Das heisst, dass sie auf MRT-Bildern gesehen werden, die eigentlich aufgrund anderer Beschwerden – wie beispielsweise Kopfschmerzen oder aufgrund eines Unfalls mit Kopfanprall – gemacht wurden. So kann es sein, dass die von einem Akustikus­neurinom betroffene Person noch keine Symptome spürt. Oder einzelne Symptome treten nur sehr schwach und sporadisch auf und stellen für die betroffene Person noch keinerlei Beeinträchtigung dar.

Zahlreiche Studien zeigen nun, dass bei einem abwartenden Vorgehen nur circa 50 Prozent der Vestibularis­schwannome nach fünf Jahren ein Wachstum zeigen. Das kann insbesondere für Menschen in höherem Lebensalter ein relevanter Umstand sein. Die Daten variieren jedoch nach Methodik der Studie. Aktuelle Leitlinien sowie der Konsens unter Fachpersonen richten sich aber nach dem oben genannten Wert von 50 Prozent.

Das führt dazu, dass bei bestimmten Personen eine Behandlung des Tumors zum Zeitpunkt der Diagnose nicht angezeigt sein kann. Wer zu dieser Gruppe gehören könnte, wird im nächsten Abschnitt genauer erläutert.

Für wen ist die aktive Überwachung geeignet?

Fakt ist: Die Voraussage, ob ein Vestibularis­schwannom nach dem Diagnose­zeitpunkt weiterwachsen wird oder nicht, ist schwierig. Die Studienlage dazu ist nicht eindeutig. Der in Studien am eindeutigsten gezeigte Prädiktor ist die initiale Grösse des Tumors zum Diagnosezeitpunkt. Das bedeutet: Je kleiner das Vestibularis­schwannom zum Diagnosezeitpunkt ist, desto weniger Tumor­wachstum ist in den folgenden Jahren zu erwarten.

Was als gesichert gilt ist, dass ein Tumor­wachstum im ersten Jahr der Beobachtung ein weiteres Wachstum wahrscheinlicher macht. Das hilft zwar für die Entscheidung für die aktive Überwachung zum Zeitpunkt der Diagnose nicht, ist aber wichtig zu wissen, wenn es um die Planung des weiteren Vorgehens nach einem Jahr des «Wait and Scans» geht.

Gemäss der aktuellen Studienlage kommen als Gruppe Patientinnen oder Patienten mit einem zufällig entdeckten, asymptomatischen Vestibularisschwannom für diese Therapieform in Frage. Das heisst, bei den Betroffenen wurde das Vestibularis­schwannom zufällig entdeckt und sie haben keine, milde oder andere leichte Symptome.

Weiter kann diese Therapie­form beispielsweise für Betroffene in Frage kommen, die sehr milde Symptome und zudem bereits ein hohes Lebensalter haben.

Allgemein gilt: Bei der Abwägung verschiedener Behandlungs­methoden ist die Nutzen-/Schaden- oder Risikoabwägung essentiell. Das individuelle Risiko für ein zukünftiges Tumorwachstum sowie die Risiken der verschiedenen Behandlungs­strategien müssen in jedem Fall ärztlich abgeschätzt und begleitet werden. Dabei sollten in die Beurteilung neben den medizinischen auch patienten­spezifische Faktoren, wie etwa die familiäre oder berufliche Situation, miteinbezogen werden.
Wichtig ist zudem, dass wer sich für diese Therapieform entscheidet, bereit sein muss, sich über einen längeren Zeitraum regel­mässigen ärztlichen Kontrollen zu unterziehen. Denn der Erfolg dieser Therapie­form hängt massgeblich von der Therapie­treue der Betroffenen ab.

Wichtig ist zudem, dass wer sich für diese Therapieform entscheidet, bereit sein muss, sich über einen längeren Zeitraum regelmässigen ärztlichen Kontrollen zu unterziehen. Denn der Erfolg dieser Therapieform hängt massgeblich von der Therapietreue der Betroffenen ab.

Ablauf der aktiven Überwachung

Für die Therapieform der «Active Surveillance» braucht es also die enge Zusammen­arbeit zwischen den Betroffenen und der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt. Die verantwortliche Ärztin wird ein engmaschiges Netz von MRT-Aufnahmen anlegen, und die Patientin oder der Patient muss sehr sensibel alles registrieren, was möglicherweise auf das Vorhandensein und Wachsen des Akustikus­­neurinoms zurückgeführt werden kann. Zum Beispiel eine zunehmende Hörminderung, Schwindel, Ohrgeräusche, Miss­empfindungen im Gesicht, gehäufte Kopfschmerzen, etc.

Typischerweise wird die erste bildgebende und audiologische Kontrolle sechs Monate nach der diagnostischen MRT durchgeführt, um schnell­wachsende Tumore frühzeitig zu erkennen. Danach, wenn kein Wachstum festgestellt wurde, wird in den nächsten fünf Jahren jährlich kontrolliert. Nach fünf Jahren empfehlen viele Spezialist­innen nur noch eine Kontrolle alle zwei Jahre. Aufgrund der Unberechenbar­keit des Tumors werden aber grundsätzlich in jedem Fall lebenslange Kontrollen empfohlen.

Durch die aufmerksame Beobachtung der Symptome durch die Betroffenen sowie die regelmässigen ärztlichen Kontrollen, ist das Risiko einer Verschlechterung der Ausgangslage durch Untätigkeit äusserst gering. Und es kann gewährleistet werden, dass der Beginn der Therapie hinausgezögert wird, ohne den Zeitpunkt für den allfällig nötigen Therapie­start zu verpassen.

Bei definitivem Nachweis eines Tumorwachstums wird den Betroffenen meist eine chirurgische Entfernung oder Bestrahlung des Vestibularis­schwannoms empfohlen.

So können sich die Symptome während der Überwachung verändern

Die Tendenz, dass die Beschwerden durch das Akustikus­neurinom zunehmen und einmal kritisch werden können, ist gegeben. Grundsätzlich gilt: Je schwächer die Symptome zum Zeitpunkt der Diagnose sind, desto geringer ist das Risiko für eine Verschlechterung.

Bei der Überwachung des Vestibularis­schwannoms ist eine Zunahme des Hörverlusts zu erwarten, auch ohne den bildgebenden Nachweis eines Tumorwachstums. So zeigen Studien, dass innert drei bis vier Jahren circa 50 Prozent der Betroffenen ihr alltagstaugliches Hörvermögen verlieren. Dabei spielt insbesondere das Hörvermögen zum Diagnosezeitpunkt eine Rolle, welches beispielsweise mit einem Sprach­verständlichkeits­test geprüft wird. Je besser die Patientin oder der Patient in einem solchen Test zu Beginn abschneidet, desto langsamer ist die Abnahme des Hörvermögens.

Wichtig ist, dass sich Betroffene, sobald sie eine Verschlechterung der vorhandenen oder das Hinzukommen neuer Symptome wahrnehmen, in eine ärztliche Kontrolle begeben.

Quellenverzeichnis

Carlson ML, Link MJ. Vestibular Schwannomas. N Engl J Med. 2021;384(14):1335-1348.

Goldbrunner R, Weller M, Regis J, et al. EANO guideline on the diagnosis and treatment of vestibular schwannoma. Neuro Oncol. 2020;22(1):31-45.

Marinelli JP, Lohse CM, Carlson ML. Incidence of Vestibular Schwannoma over the Past Half-Century: A Population-Based Study of Olmsted County, Minnesota. Otolaryngol Head Neck Surg. 2018;159(4):717-723.

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