Entstehung des Akustikus­neurinoms

Ein Akustikus­neurinom entsteht, wenn die sogenannten Schwannschen Zellen, welche den Hör- und Gleich­gewichtsnerv umhüllen, unkontrolliert zu wachsen beginnen. In der Regel wächst der Tumor langsam aus dem Gehörgang in den Kleinhirn­brückenwinkel. Das kann die Funktion von Hirn­nerven und Gefässen beeinträchtigen.

Hirnnerven bestehen aus sehr vielen dünnen Fasern, die von einer Hülle aus Binde­gewebe ummantelt sind. Diese Hülle besteht aus den sogenannten Schwannschen Zellen und wird deshalb «Schwannsche Scheide» genannt. Der Vergleich mit einer Kupferlitze aus vielen dünnen Adern (Fasern der Hirnnerven) und einem Isolations­mantel (Hülle der Hirnnerven) ist nicht der Schlechteste.

Der 8. Hirnnerv: Nervus vestibulocochlearis

Das Akustikus­neurinom besteht aus unkontrolliert wachsenden Schwannschen Zellen der Nerven­hülle des 8. Hirnnerven. Dieser «Nervus vesti­bulocochlearis» ist ein Zwillings­nerv, hat also zwei Anteile: den Hörnerv (Nervus cochlearis) und den Gleichgewichts­nerv (Nervus vestibularis). Die beiden Nerven­anteile des 8. Hirnnerven treten, eng aneinander liegend, aus dem Hirn­stamm aus und verlaufen durch den Kleinhirn­brücken­winkel und den knöchernen Gehörgang zum Innenohr. Das Akustikus­neurinom wächst fast immer aus dem vestibulären Anteil des 8. Hirn­nerven, woraus sich der oft verwendete Name Vestibularis­schwannom herleitet. Der Tumor kann quasi seitlich an dem Vestibularis­nerven wachsen, er kann sich aber auch zwischen die beiden Zweige dieses Nerven schieben und diese aufspalten. Die Art der Ausbreitung beeinflusst u.a. entscheidend Aufwand und Erfolgs­aussichten der Therapien.

Akustikusneurinom – Zelle
Akustikusneurinom – Zelle

Der Hörnerv übermittelt die Hör­informationen in Form bioelektrischer Signale aus dem Innenohr zum Zentrum des Gehirns. Durch Umwandlungen entsteht dort das Hörempfinden. Der Gleichgewichts­nerv übermittelt die Informationen aus dem Gleichgewichts­organ des Innenohrs zum Hirnstamm, von wo sie zum Kleinhirn gelangen und wo durch Verknüpfung mit weiteren Informationen z.B. von Augen und Muskel­sensoren das Lage­empfinden des Körpers entsteht und koordinierte Bewegungen gesteuert werden.

Im Gehörgang verläuft auch der 7. Hirnnerv (Nervus facialis), der Gesichtsnerv, der die Gesichts­muskulatur und das Geschmacks­empfinden von zwei Dritteln der Zunge und die Sekretion von Tränen­flüssigkeit steuert. Da das Akustikus­neurinom in den allermeisten Fällen im knöchernen Gehörgang zu wachsen beginnt, werden diese drei Nerven zuerst in ihrer Funktion beeinträchtigt.

Langsames Wachstum aus dem Gehörgang in den Kleinhirnbrückenwinkel

Der Tumor wächst im Allgemeinen langsam bis sehr langsam und kann bis Jahrzehnte im knöchernen Gehörgang bleiben. Liegt er (noch) vollständig darin, nennt man seine Lage intrameatal. Reicht der Platz im Gehörgang auch nach Bedrängen und Verdrängen der dort verlaufenden Nerven und Gefässe nicht mehr aus, wächst das Akustikusneurinom aus dem Gehörgang in den Kleinhirnbrückenwinkel, einem zweigeteilten Raum links und rechts vom verlängerten Rückenmark, dem Hirnstamm. Aus dieser Tatsache wurde die deutsche Bezeichnung Kleinhirn­brücken­winkel­tumor abgeleitet. Der Tumor liegt dann extrameatal.Die Lage des Akustikusneurinoms ist bestimmend für den Operationsweg.

Im Kleinhirnbrückenwinkel hat das Akustikusneurinom zunächst erst einmal wieder Platz, um an Volumen zuzunehmen, sich auszudehnen, bis weitere Nerven in der Schädelgrube, an der Schädelbasis berührt, bedrängt, gequetscht werden und sich dadurch weitere typische Symptome zeigen. Besonders kritisch ist, wenn der Hirnstamm seitlich verdrängt wird. So wie der wachsende Tumor immer an andere Hirnnerven gerät und diese in ihrer Funktion beeinträchtigt, zeigen sich schrittweise die dafür typischen Symptome. Typisch für das Akustikusneurinom ist eine feste Hülle (der Tumor «fliesst nicht in das umliegende Gewebe»). Diese Hülle bietet bei kleinen Tumoren die Chance des Herauslösens in einem Stück. Eine sehr seltene Form ist es, wenn das Akustikusneurinom in einem Teil eine Zyste, einen mit Flüssigkeit gefüllten Hohlraum bildet.

Es gibt kein Mass, ab dem ein Akustikusneurinom Beschwerden bei dem Betroffenen auslöst. Der eine bemerkt das Akustikusneurinom bereits bei einer Grösse von 2x2x2 mm, ein anderer lebt lange ohne Beschwerden mit einem Akustikusneurinom von durchschnittlich 2 cm Durchmesser. Ein Grund dafür ist das langsame Wachstum, das dem Körper Gelegenheit gibt, dass sich Nerven und Gefässe der veränderten Situation um sie herum teilweise und für eine gewisse Zeit anpassen können.

Welche Hirnnerven verlaufen an der Schädelbasis?

Die beiden Abbildungen zeigen die Austrittsstellen der Hirnnerven an der Schädelbasis.

Linke Abbildung: Schematische Darstellung. Quelle: Medizin, Mensch, Gesundheit, 2005.
Rechte Abbildung: Blick durch das Operationsmikroskop. Quelle: Webseite der UK Würzburg.

Akustikusneurinom – Hirnnervern
Akustikusneurinom – Hirnnervern

Die Funktionen der Hirnnerven:

  1. Riechen
  2. Sehen
  3. Augenbewegungen
  4. Augenrollen
  5. Innervation von Gesichtshaut, Augenhöhle, Zähnen, Muskulatur von Ober- und Unterkiefer
  6. Augenbewegungen
  7. Gesichtsbewegungen (Mimik), Tränensekretion, Unterkieferdrüse und Unterzungendrüse, kleine Gaumen- und Nasendrüsen, Geschmack in vorderen zwei Zungendritteln
  8. Hören und Gleichgewicht
  9. Rachenmuskeln (Schlucken), Schleimhaut von Rachen und Ohr-Paukenhöhle, Geschmack im hinteren Zungendrittel
  10. Kehlkopfbewegungen (auch Stimmbänder), Rachenmuskulatur, Sensibilität im ausseren Gehörgang, Versorgung von Herz, Lunge, Magen und Darm
  11. Kopfwendungen, Versorgung des Trapezmuskels des Rückens
  12. Zungenbewegungen

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